Ist es nicht egal, wie man den Stimmzettel bei BR-Wahl faltet?

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Seit vielen Jahren referiere ich zu arbeitsrechtlichen Themen, auch und insbesondere zum sog. Kollektivarbeitsrecht. Ich schule dabei u.a. Wahlvorstände und mache diese fit für eine bevorstehende Betriebsratswahl. Insofern kenne ich die Frage, ob es nicht vollkommen unerheblich wäre, ob und ggfls. wie man den Stimmzettel bei der Briefwahl faltet.

Das ist aber nicht so, wie eine relativ aktuelle Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts zeigt (LAG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20. November 2023 – AZ: 16 TaBV 83/23). Dort war es so, dass bei einigen Briefwählern der Stimmzettel so gefaltet war, dass sozusagen nach dem Öffnen des Briefumschlags sofort die Schrift (und damit auch die “Kreuze”) zu sehen waren.

Und nun? Wo ist das Problem? Stimme ist doch Stimme oder etwa nicht?

Der dortige Wahlvorstand hat diese Stimmen jeweils für ungültig erklärt!

Was meinen Sie dazu, liebe Leserin, lieber Leser?

Tatsächlich regelt § 25 Satz 1 Nr. 1 der Wahlordnung Folgendes:

< Die Stimmabgabe erfolgt in der Weise, dass die Wählerin oder der Wähler

den Stimmzettel unbeobachtet persönlich kennzeichnet und so faltet und in dem Wahlumschlag verschließt, dass die Stimmabgabe erst nach Auseinanderfalten des Stimmzettels erkennbar ist, […] >

Tja, was soll man sagen?! Dagegen haben diese Briefwähler verstoßen, da beißt die Maus keinen Faden ab. In dem Fall ging es so weiter, dass die Wahl wegen der Entscheidung des Wahlvorstands angefochten wurde. In der zweiten Instanz hat das Landesarbeitsgericht den Wahlvorstand jedoch “bestätigt” und ausgeführt, dass das Problem in dem Grundsatz der geheimen Wahl bestehe. Die Wahl sei aber nicht mehr geheim, wenn diejenigen, die bei der Öffnung der Briefwahlumschläge anwesend sind, sozusagen die Entscheidung des Wählers auf den ersten Blick erkennen können. Deshalb gebiete es der Grundsatz der geheimen Wahl, dass der Stimmzettel bei der Briefwahl korrekt gefaltet wird (also so, dass die Entscheidung des Wählers nicht erkennbar ist, man also nicht gleich sehen kann, wo die Kreuze gemacht wurden).

Meine Meinung? Ich halte diese Entscheidung für richtig. Man stelle sich nur mal den Fall vor, dass es nur einen einzigen Briefwähler gibt. Dann wüsste jeder sofort, wie dieser Kollegin oder dieser Kollege gewählt hat. Und auch sonst kann es zu einer Beeinflussung der Wahlentscheidungen kommen, wenn die Stimmabgabe nicht mehr geheim ist.

Ich erinnere mich in dem Zusammenhang spontan an Fernsehbilder einer politischen Wahl, wo man bei einem prominenten Kandidaten vor dem Einwurf des Stimmzettels in die Wahlurne sehen konnte, dass er sich selbst gewählt hat. Bei einer Betriebsratswahl hätte ich das als Wahlvorstand nicht durchgehen lassen!

Letzte Anmerkung: Das Verfahren ist mittlerweile beim Bundesarbeitsgericht anhängig. Dieses verhandelt am 25.01.2025 (Aktenzeichen dort: 7 ABR 1/24). Ich persönlich vermute, dass die Entscheidung des LAG bestätigt wird. Aber wer weiß?!

Gordon Neumann, Fachanwalt für Arbeitsrecht