Kürzlich empörte sich mein Gesprächspartner darüber, dass wir Anwälte einen bevorrechtigten Anspruch auf eine Schutzimpfung gegen das Coronavirus haben. Zur Erläuterung:
Das Bundesgesundheitsministerium hat eine “Verordnung zum Anspruch auf Schutzimpfung” erlassen, in der die Reihenfolge der Schutzimpfungen gegen das Coronavirus festgelegt ist. Darin sind Personengruppen mit höchster Priorität, hoher Priorität sowie erhöhter Priorität aufgeführt. Anwälte zählen grundsätzlich zur letztgenannten Gruppe. Warum ist das so?
Ich forderte meinen Gesprächspartner auf, sich vorzustellen, dass es plötzlich keine Anwälte mehr gäbe. Dies würde man – so seine Meinung – nicht merken. Niemand bräuchte einen Rechtsanwalt, schon gar nicht dringend. Daher sei nicht nachzuvollziehen, dass wir Anwälte mit erhöhter Priorität Anspruch auf Schutzimpfung hätten.
Nun ja: Anwälte gewährleisten dem Bürger den Zugang zum Recht.
Stellen wir uns vor, es würde aktuell kein Anwalt einen Fall übernehmen. Wissen Sie, was zu tun ist, wenn der (Ehe-)Partner gewalttätig wird oder das zumindest androht? Wissen Sie was zu tun ist, wenn Sie – ungerechtfertigter Weise – eine fristlose Kündigung Ihrer Wohnung oder Ihres Arbeitsvertrages erhalten? Wenn Sie dringend ein bestimmtes (sehr teures) Medikament benötigen, Ihre Krankenversicherung/Krankenkasse sich aber weigert?
Ich könnte die Liste noch ziemlich lang weiter führen. Natürlich sind nicht alle meine Fälle dringend und eilbedürftig. Aber wenn, dann sind meine Mandanten üblicherweise ziemlich froh, dass ich ihnen sage, was zu tun ist und alles Erforderliche einleite.
Ein bisschen kommt es mir so vor wie mit einer Feuerversicherung. Scheinbar braucht die niemand. Kostet nur Geld, bringt nichts, ist überflüssig. Bis es mal brennt, dann wird plötzlich die Versicherungspolice hektisch gesucht und man ist heilfroh, dass es sie gibt.
Andere Meinungen sind wie immer willkommen. Nutzen Sie gerne die Kommentarfunktion.
Gordon Neumann, Rechtsanwalt