Das Landesarbeitsgericht Köln hatte kürzlich Gelegenheit, über einen in der Praxis sicherlich häufig vorkommenden Fall zu entscheiden. Was war passiert?
Die Parteien haben darüber gestritten, wer beweisen muss, dass ein anderer eine E-Mail (rechtzeitig) erhalten hat.
In dem Fall, der dem Urteil des LAG Köln vom 11.01.2022 (Aktenzeichen 4 Sa 315/21) zugrunde lag, ging es ganz banal darum, dass die eine Partei behauptet hat, der anderen eine E-Mail gesendet zu haben. Der Empfänger hat diese auch erhalten, behauptet jedoch, das sei erst 3 Tage nach dem behaupteten Versand erfolgt. „Natürlich“ hatte der Versender die streitgegenständliche E-Mail auf den letzten Drücker, also am letzten Tag einer Frist versendet, sodass es ganz entscheidend darauf ankam, ob diese E-Mail am Tage des Versands zugegangen ist.
Der Versender beruft sich auf eine Beweiserleichterung (sogenannter Beweis des ersten Anscheins). Er verweist nämlich auf das Postausgangs- und Posteingangskonto, wonach die E-Mail verschickt wurde und danach keine Meldung der Unzustellbarkeit kam.
Wie hat das Gericht nun entschieden?
1.) Es ist immer Sache des Versenders, den Zugang einer E-Mail zu beweisen.
2.) Die Absendung der E-Mail allein hilft dabei nicht. Insbesondere begründet dies nicht den sogenannten Anscheinsbeweis für den Zugang beim Empfänger. Das Gericht lässt also die Argumentation nicht gelten, wenn man eine E-Mail versendet, spricht das automatisch auch dafür, dass sie dem Empfänger zugegangen ist.
Meine Meinung:
Natürlich ist es immer wieder ganz erstaunlich, dass alle Nachrichten ordnungsgemäß zugehen, bloß solche nicht, die eine Frist wahren sollen. Es grenzt wirklich an Zauberei. Solche Nachrichten gehen überdurchschnittlich oft verloren (oder erst nach Fristablauf zu). Eines der letzten Wunder unserer modernen Zeit, das trotz enormer Fortschritte der Wissenschaft noch nicht erklärt werden kann.
Aber im ernst:
Das Urteil dürfte richtig sein, denn es ist natürlich grundsätzlich möglich, dass eine E-Mail nicht zeitgleich, sondern nur mit (erheblicher) Verzögerung ankommt. Das dürfte zwar selten der Fall, aber eben nicht ausgeschlossen sein. Genau wie bei einem Postbrief. Die kommen in der Regel ordnungsgemäß am nächsten Tag an, allerdings gibt es immer wieder mal Fälle, wo ein Brief deutlich später ankommt oder auch gar nicht.
Wer soll nun dieses Verlustrisiko, bzw. später Verspätungsrisiko tragen? Fairerweise muss es derjenige tragen, der Einfluss auf die Übermittlung hat und das ist nun mal der Versender. Er hat es in der Hand, sicherzustellen, dass eine Nachricht auch ankommt. Beim Versand per E-Mail hätte er beispielsweise die Möglichkeit, eine Lesebestätigung anzufordern. Solange diese nicht vorliegt, muss er sich darauf einstellen, dass eine E-Mail (noch) nicht vorliegt. Dann muss man den Empfänger vielleicht anrufen und darauf aufmerksam machen oder sich etwas anderes einfallen lassen. Bei Briefpost wäre das Stichwort: Einschreiben, bzw. dokumentierte Zustellung.
Das Landesarbeitsgericht Köln hat also richtigerweise geurteilt, dass es das Risiko des Versenders ist, den rechtzeitigen Zugang seiner E-Mail zu beweisen. Im entschiedenen Fall konnte der Versender nicht die Behauptung des Empfängers entkräften, die Mail sei erst nach 3 Tagen angekommen und hat dadurch das Gerichtsverfahren verloren.
Ich glaube, ich sagte es schon öfter an dieser Stelle:
Vielleicht hätte er jemanden fragen sollen, der sich damit auskennt.
Gordon Neumann, Fachanwalt für Arbeitsrecht