Ich habe im Fernsehen einen Beitrag über einen Finanzvertrieb für private Krankenversicherungen gesehen. Dieser geriet danach in erhebliche Schwierigkeiten, weil zumindest große Teile der Vertriebsmitarbeiter nach den Feststellungen der zuständigen Behörden “scheinselbstständig” waren.
Der geneigte Fachanwalt für Arbeitsrecht versteht darunter – etwas vereinfacht gesagt – einen Mitarbeiter, der als Selbstständiger geführt wird, der aber in Wirklichkeit ein abhängig beschäftigter Arbeitnehmer ist.
Im Volksmund sagt man auch freier Mitarbeiter, Freelancer, Selbstständiger, Freiberufler, auf Honorarbasis beschäftigt, usw.
Der entscheidende Unterschied zwischen einem abhängig beschäftigten Arbeitnehmer und einem Selbstständigen besteht in der Frage, ob Sozialversicherungsbeiträge abgeführt werden müssen oder nicht. Ein anderer Unterschied betrifft die Arbeitnehmerrechte, auf die sich eben nur Arbeitnehmer, aber nicht Selbstständige berufen können: Bezahlter Erholungsurlaub, Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, max. 8 Stunden am Tag arbeiten, Kündigungsschutz, usw.
Nun leuchtet es unmittelbar ein, dass die Beschäftigung eines Selbstständigen zunächst einmal große Vorteile verspricht. Das Unternehmen muss nur tatsächlich erhaltene Dienste bezahlen, keine Sozialversicherungsbeiträge abführen und kann grundsätzlich die Zusammenarbeit problemlos beenden. Urlaub und Krankheit sind ganz allein Probleme des Selbstständigen.
Natürlich gibt es Spielregeln, wann ein “Dienstleister” als selbstständig Tätiger zu bewerten ist und wann als Arbeitnehmer.
Stark vereinfacht kommt es auf das Gesamtbild der Tätigkeit an.
Konkret: Es kommt insbesondere darauf an, ob die betreffende Person weisungsgebunden und in die Organisation des Auftraggebers eingebunden ist.
Diese Kriterien können für eine Scheinselbstständigkeit im sozialversicherungsrechtlichen Sinn sprechen:
- Feste Einbindung des Betreffenden in die Organisation, Arbeitsabläufe, “Infrastruktur”, Prozesse des Auftraggebers
- Genau festgelegte Arbeitszeiten (z.B. bei Schichtdienst, etc.)
- Auftraggeber darf dem Betreffenden Weisungen erteilen und macht das auch umfassend, gibt ihm z.B. genau vor, was er wann, wo, wie zu machen hat.
- Der Betreffende muss dem Auftraggeber berichten (“Reportings”)
- Der Betreffende darf seinerseits keine Subunternehmer beschäftigen und auch keine Arbeitnehmer einstellen, die ihm bei der Erfüllung seiner Aufgaben helfen und macht das auch nicht
- Der Betreffende erhält ein festes “Gehalt”, sowie Urlaub und Lohnfortzahlung im Krankheitsfall
- Betreffender muss Urlaub mit anderen Kollegen absprechen
In der Praxis wird es selten so sein, dass sich jedes Dienstverhältnis immer ganz klar und einfach einordnen lässt. Natürlich sind auch Sebstständige nie ganz frei drin, was sie wann wo und wie machen. Sie müssen sich natürlich an die Absprachen mit dem Auftraggeber halten. Im Falle einer Referenten- oder Vortragstätigkeit schließe ich selber beispielsweise immer solche Verträge, wonach ich den Workshop, das Seminar, den Vortrag höchstpersönlich leiten, bzw. halten muss. Ich kann da keinen Vertreter schicken, einen Angestellten oder Subunternehmer. Das ist logisch, macht den Vertrag aber nicht gleich zum Arbeitsvertrag. Es kommt auf die Würdigung der Gesamtumstände an.
Was ich eigentlich zum Ausdruck bringen will:
Die Gesellschaft, um die es in der Doku ging, ist nach den Aussagen des Verantwortlichen daran gescheitert, dass die Vertriebsmitarbeiter “scheinselbstständig” waren. Rechtsfolge: Hohe Nachzahlungen von Sozialversicherungsbeiträgen und Strafen.
Offenbar hat man dann alle “selbstständigen” Vertriebsmitarbeiter angestellt, um zukünftig nicht erneut Probleme zu bekommen. Dabei muss dann wohl etwas schief gegangen sein, jedenfalls hieß es in der Doku, dass dies den wirtschaftlichen Untergang der Gesellschaft einleitete.
Fazit:
Ich sagte es schon öfter, immer mit einem Augenzwinkern und ohne jede Gehässigkeit. Fragen Sie doch einfach jemanden, der sich mit so etwas auskennt 😉
Herzlichst, Ihr Fachanwalt