Urlaubsanspruch

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Arbeitgeber müssen nach einigen neueren Urteilen Arbeitnehmer klar und rechtzeitig auf bestehende Urlaubsansprüche hinweisen und ihnen mitzuteilen, dass nicht genommener Urlaub verfallen wird. Tun sie das nicht, verfällt der Urlaub nicht mehr automatisch am Jahresende bzw. am Ende des Übertragungszeitraums.

Was genau gibt es dabei zu beachten?

Der EuGH fordert vom Arbeitgeber in seinem Urteil EuGH v. 12.6.2014 – C-118/13 – „Bollacke“ Folgendes:

  1. Der Arbeitnehmer muss in die Lage versetzt werden, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen. Dafür muss der Arbeitgeber konkret und in völliger Transparenz sorgen
  2. Arbeitgeber muss den Arbeitnehmer gegebenenfalls auffordern, seinen Urlaub zu nehmen
  3. schließlich muss dem Arbeitnehmer klar und rechtzeitig mitgeteilt werden, dass der Urlaub ansonsten verfallen wird

Bedauerlicherweise teilt uns der EuGH nicht mit, was genau man tun muss. Mittlerweile liegt ein Urteil des Bundesarbeitsgerichts, sowie jeweils ein Urteil des LAG Niedersachsen (LAG Niedersachsen v. 16.1.2019 – 2 Sa 567/18) und Köln (LAG Köln v. 9.4.2019 – 4 Sa 242/18) hierzu vor.

Der Arbeitgeber trägt die sogenannte Initiativlast, ist also etwas vereinfacht gesagt für die Verwirklichung des Urlaubsanspruchs verantwortlich. Nach dem LAG Niedersachsen gilt dies auch in Bezug auf den Zusatzurlaub für Schwerbehinderte.

Nach dem LAG Köln muss der Arbeitgeber nicht nur darauf hinwirken, dass der Urlaubsanspruch des aktuellen Kalenderjahres genommen wird. Das Gericht bezieht das auch auf Urlaub aus vorangegangenen Kalenderjahren. Für Arbeitgeber könnte das der Anlass für die Bildung von Rückstellungen sein, falls das betreffende Arbeitsverhältnis immer noch bestehen sollte.

Hier einige Überlegungen zu den Anforderungen des EuGH:

1. Konkrete Information

Es dürfte nicht ausreichen, in irgendwelchen Merkblättern auf den Verfall nicht genommenen Urlaub am Jahresende (bzw. nach dem Übertragungszeitraums) hinzuweisen. Auch entsprechende Regelungen in Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen oder im Arbeitsvertrag dürften nach der Rechtsprechung nicht ausreichen.

Der Arbeitgeber wird ausrechnen müssen, wie viel Urlaub jedem einzelnen Arbeitnehmer konkret verbleibt. Dafür dürfte es nicht ausreichen, dass so etwas in den jeweiligen Gehaltsabrechnungen genannt wird und darin die Arbeitnehmer aufgefordert werden, den Urlaub zu nehmen.

Wichtig ist auch, dass die entsprechende Aufforderung und Belehrung – mindestens in Textform – hinreichend klar und deutlich und für den Arbeitnehmer verständlich sein muss.  

2. Rechtzeitig

Die Mitteilung muss so frühzeitig erfolgen, dass der Urlaub tatsächlich noch in dem betreffenden Urlaubsjahr (= Kalenderjahr) genommen werden kann.

Wann genau das sein muss, lässt sich nicht pauschal beantworten. Es dürfte hier auch auf die Umstände des konkreten Einzelfalls ankommen. Wenn eine Urlaubsplanung schon zum Jahresbeginn feststeht, könnte es ausreichen, die Mitteilung auch schon zum Jahresbeginn zu machen. Meiner Meinung nach wäre aber zu überlegen, den Hinweis erst in der 2. Jahreshälfte zu machen, weil man dann ausdrücklich den noch offenen Urlaubsanspruch nennen kann. In Betracht kommt hier der September eines Jahres.

Entscheidend dürften nach der Rechtsprechung die Umstände des Einzelfalls sein.

3. Hinweis auf Verfall

Nach der Rechtsprechung muss nachweisbar sein, dass der Arbeitnehmer „aus freien Stücken und in voller Kenntnis der Konsequenzen“ auf die Inanspruchnahme des Urlaubs verzichtet hat. Das dürfte im Umkehrschluss bedeuten, dass der Arbeitgeber ausdrücklich darauf aufmerksam machen muss, dass der Urlaubsanspruch verfällt, wenn er nicht rechtzeitig genommen wird, bzw. in welchen Fällen der Urlaub ausnahmsweise in das Folgejahr übertragen werden kann (wurden zum Ende des Übertragungszeitraums verfallen wird).

4. Keine Verhinderung des Urlaubs

Aus den Vorwänden Urteilen ergibt sich, dass Arbeitgeber alles unterlassen müssen, was Arbeitnehmer davon abhalten könnte, den Jahresurlaub zu nehmen. So würde der Urlaub beispielsweise nicht verfallen, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer dazu angehalten hat, dass dieser auf seinen restlichen Urlaubsanspruch verzichtet. Der EuGH stellt darauf ab, dass der Arbeitgeber die stärkere Position hat und dass es nicht sein soll, dass der Arbeitnehmer aufgrund seiner schwächeren Position davon abgehalten wird, seinen Urlaub zu nehmen.

5. Beweislast

Nach der Rechtsbeugung des europäischen Gerichtshofs muss der Arbeitgeber beweisen, dass der Arbeitnehmer die hier in Rede stehende Mitteilung tatsächlich erhalten hat. Man wird wohl empfehlen müssen, dass sich Arbeitgeber den Erhalt dieser Informationsschreiben explizit bestätigen lassen.

6. Unterscheidung zwischen gesetzlichen Mindesturlaub und vertraglichen Zusatzurlaub / Begrenzung des Übertragungszeitraums

Es stellen sich natürlich noch weitere Fragen. So wird man wohl das hier in Rede stehende Hinweiserfordernis nur auf den gesetzlichen Mindesturlaub beziehen müssen, aber nicht auf etwaig darüber hinausgehenden vertraglichen, zusätzlichen Urlaub. Wenn Arbeitgeber in ihren Arbeitsverträgen bislang noch nicht zwischen diesen beiden Urlaubsarten differenziert haben, sollte dies spätestens jetzt geändert werden.

Unklar ist noch, ob es für den verfallenen Urlaub einen Begrenzungszeitraum gibt, ähnlich wie in den Fällen der Langzeiterkrankung. Da ist es ja bekanntlich so, dass der Urlaubsanspruch 15 Monate nach dem Urlaubsjahr verfällt. In dem Zusammenhang ist unklar, ob die neue Rechtsprechung hier möglicherweise auch zu einer Änderung führt, wonach dieser Urlaub eines Langzeiterkrankung zukünftig nicht mehr automatisch verfällt, sondern nur nach entsprechender „Belehrung“ in dem oben verstandenen Sinne.

7. Schlussfolgerung für Arbeitgeber

Es besteht Handlungsbedarf. Arbeitgeber müssen rechtzeitig alle Arbeitnehmer einzeln in Textform informieren, wie viel Urlaub sie noch aus dem laufenden bzw. vergangenen Urlaubsjahren haben. Zugleich müssen die Arbeit immer aufgefordert werden, diesen Urlaub bis zum Jahresende in natura zu nehmen.

Ganz wichtig ist der Hinweis darauf, dass der Urlaub ansonsten mit Ablauf des Urlaubsjahres (bzw. des Übertragungszeitraums) verfällt. Den Erhalt dieses Hinweises sollten sich Arbeitgeber explizit bestätigen lassen.

Falls in den Arbeitsverträgen nicht zwischen gesetzlichen und zusätzlichen Urlaubsansprüchen unterschieden wird, sollten diese angepasst werden. Schließlich muss alles unterbleiben, was Arbeitnehmer davon abhalten könnte, den Urlaub zu nehmen, bzw. auf diesen zu verzichten.