Kriterien für Triage. Oder: Wen lässt man sterben?

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Triage (deutsche Bezeichnung Sichtung oder Einteilung), bezeichnet laut Wikipedia ein nicht gesetzlich kodifiziertes oder methodisch spezifiziertes Verfahren zur Priorisierung medizinischer Hilfeleistung, insbesondere bei unerwartet hohem Aufkommen an Patienten und objektiv unzureichenden Ressourcen. Die aufgeschobene beziehungsweise abwartende medizinische Hilfe ist in diesem Fall unvermeidlich. Ohne eine strukturierte Triage (Einstufung) besteht die Gefahr einer politisch oder ideologisch motivierten, unethischen Selektion.

Es ist ein aus der Militärmedizin herrührender Begriff für die – ethisch schwierige – Aufgabe, etwa bei einem Massenanfall von Verletzten oder anderweitig Kranken darüber zu entscheiden, wie die knappen personellen und materiellen Ressourcen auf sie aufzuteilen sind.

Warum ich Ihnen das sage? Weil momentan in etlichen Kliniken außerhalb Deutschlands genau das passiert: Die Ärzte entscheiden, wer behandelt wird, wer an ein Beatmungsgerät angeschlossen wird und wer nicht. Aber nach welchen Kriterien?

Das ist eine völlig neue Situation, weil bisher die Grundannahme galt, dass ausreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, um alle Patienten optimal zu behandeln. Dadurch gag es keinen Konflikt zwischen individuellem und Gesamtnutzen.

Deutschland verfügt über ca. 30.000. Personal ist knapp bzw. nicht vorhanden. Wenn sich tatsächlich 2/3 der Bevölkerung mit dem neuartigen Coronavirus infizieren, müsstenvetwa 3 Millionen Patienten künstlich beatmet werden (offenbar im Schnitt etwa 10 Tage). Alles klar?

Das Interessante: Für diesen Ausnahmefall gibt es für die Entscheider (also die Ärzte) keine verbindlichen rechtlichen Vorgaben. Wie also entscheiden, wer leben darf und wer sterben muss?

Hier gibt es mehrere Vorschläge:

1.) Reiche, Mächtige, Frauen und Kinder zuerst. Das dürfte wohl nicht zulässig sein.

2.) Wer die längere Restlebenszeit hat, zuerst. So wird es wohl in Italien gemacht. Rechtlich gesehen in Deutschland problematisch.

3.) Wer kränker ist, zuerst (selbst wenn sich dadurch die Chancen des Gesünderen verschlechtern)

4.) Wer zufällig zuerst da ist, hat gewonnen. Ihm wird das Beatmungsgerät dann nicht mehr weggenommen, selbst wenn ein Patient mit deutlich besseren Aussichten kommt.

5.) Es wird gelost. Und zwr unabhängig von den Überlebens-Chancen.

6.) Wer die besseren Überlebens-Chancen hat wird behandelt. Nur blöd, wenn man selber 90% Überlebenswahrscheinlichkeit hat und dann ein Patient mit 91% kommt. Dann wird man abgestöpselt. So macht man es in der Schweiz. In Deutschland rechtlich problematisch.

7.) Ärzte und Pfleger unabhängig von der Überlebenswahrscheinlichkeit zuerst. Überlebt der Arzt, rettet er in der Folgezeit weitere Menschen, zumal er dann immun gegen das Virus ist. Rechtlich problematisch, aber durchaus vorstellbar, dass dieses Kriterium im “Zweifel” den Ausschlag gibt.

8.9 In Straßburg wird seit dem 21.03.2020 kein Patient mehr künstlich beatmet, der älter als 80 Jahre ist. In Deutschland rechtlich problematisch, weil das gegen das Grundgesetz verstieße.

8.) Ich habe auch noch einen Vorschlag: Frauen zuerst. Es gibt statistisch gesehen (Jahr 2018) mehr Männer als Frauen (Verhältnis M:F = 1,01:1). Scherz.

Es wäre folglich wünschenswert, wenn es gesetzliche Regelungen gäbe. Gerade eben haben sieben medizinische Fachgesellschaften gemeinsam Richtlinien für die sogenannte Triage veröffentlicht.

Danach sollen immer mehrere Personen entscheiden (Ärzte, Pfleger, Fachkräfte). Dann gilt die Reihenfolge:

a) Muss der Patient überhaupt intensivmedizinsich behandelt werden? In welchem Umfang?

b) Wie groß ist die Überlebenswahrscheinlichkeit unter Berücksichtigung etwaiger Vorerkrankungen?

c) Wie lautet der Patientenwille? Erst dann sehen die ethischen Empfehlungen eine Priorisierung der Behandlung vor, wenn die Ressourcen nicht für alle Patienten ausreichen.

Anschließend wird dann entschieden, wer leben darf und wer sterben muss.